Turbulente Komödie in vornehmem Hause (Waltraud Werdelis)

Quelle: Verlag: DIE RHEINPFALZ, Publikation: Unterhaardter Rundschau, Dienstag, 16. Juni 2008

ALTLEININGEN:
Burgspiele Altleiningen feiern mit „Wie das Leben so stiehlt“ Premiere –
Kriminal- und Liebesgeschichte mit Situationskomik

 

 

Mit frenetischem Beifall und einer Ovation im Stehen bedankte sich am Samstagabend in Altleiningen das Publikum beim diesjährigen Ensemble der Burgspiele für die wunderbar leicht und witzig dargebotene Krimikomödie „Brave Diebe“ von Jack Popplewell. Die Amateurtheatergruppe hatte das ehemalige Erfolgsstück in „Wie das Leben so stiehlt“ umbenannt und unter anderem durch die Besetzung mit drei sehr jungen Schauspielern erfolgreich vom Staub der 1950er Jahre befreit.

Schluss-Szene des Ensembles 2008

Schluss-Szene des Ensembles 2008
Eine der großen Leistungen der Burgspiele-Vorsitzenden und langjährigen Regisseurin Susanne Rechner ist die Stückauswahl, die sich jeweils an den zur Verfügung stehenden Darstellern, ihren Bedürfnissen und Potenzialen sowie am Wunsch des Publikums nach Abwechslung orientiert. „Magnolien im Herbst“ gab beispielsweise drei älteren Damen Gelegenheit, sich in großen Rollen zu präsentieren, und in der „Bettleroper“ kamen viele zum Einsatz, die sich noch nicht so bühnensicher fühlten oder nicht die Last einer zentralen Figur tragen wollten. In dieser Spielzeit sollten drei Jugendliche um die 18 Jahre eine größere Herausforderung bekommen. Das passende Stück hatte Rechner in der zweiten von vielen Komödien des 1996 gestorbenen englischen Schlager-, Drehbuch und Bühnenautors Jack Popplewell gefunden, einem Dreiakter, der sich wohl am besten in das Genre Boulevardstück einordnen lässt.

Als das Premierenpublikum Platz nimmt, signalisiert schon das Bühnenbild, das aus einem Ikea-Katalog stammen könnte, dass ein moderner und exklusiver Wind durch das Burgspiele-Theater weht: cremefarbene Polstermöbel, ein Flachbild-Fernseher an der Wand und eine gut bestückte Bar, dazu zwei Zimmertüren, ein Fenstervorhang, ein verdeckter Auftritt und: Möbel mit vielen Schubladen. Um diese zu durchwühlen und fette Beute zu machen, bricht Penelope Peabody in die Wohnung des reichen, aber arbeitsscheuen David Warren ein, nachdem sie andere Bewohner des Hauses bereits um ihre Juwelen erleichtert hat. Weil sie einen Sessel umgeworfen hat, muss sie sich hinter dem Vorhang verstecken, erträgt aber nur kurz das groteske Gebaren Davids und seines Butlers Wilkinson, die den Einbrecher hinter der Esszimmertür vermuten. Penny gibt sich zu erkennen, und schon befindet sich die Handlung auf der „Autobahn zur Hölle“, wie ein eingeblendeter Rocksong von „AC/DC“ suggeriert.

Denn nachdem David der pfiffigen Diebin vor den Augen der Polizei sicheres Geleit in ein angeblich redliches Leben gegeben hat, plagen ihn unangemeldete Besuche, Erklärungsnöte und Missverständnisse.

Penelope Peabody (Kim Gössling) und David Warren (Georg Kirchner)

Davids eifersüchtige Verlobte Helen hält Penny, die wegen David immer wieder an den Tatort zurückkehrt, für eine Nebenbuhlerin und Inspektor Pidgeon will mit hartnäckiger Freundlichkeit wissen, wo der gestohlene Schmuck geblieben ist. Das interessiert auch Benjamin Peabody, muss er doch nach der missglückten Aktion seiner Tochter den Ruf seines Familienunternehmens in der Branche der Eigentumsübertragungen wiederherstellen.

Benjamin Peabody (Martin Steinmetz) sorgt sich um das Glück seiner Tochter Penelope

Und dann ist da noch die personifizierte Neugier, Lady Warren, der Penny als potenzielle Schwiegertochter weit besser gefällt als die spröde Helen.

Die etwas nervige Lady Warren alias Anja Gössling mit ihrem Sohn David

Weder bei einem Krimi noch bei einer Boulevardkomödie sollte zu viel verraten werden, deshalb sei an dieser Stelle nur so viel gesagt: Es geht zu wie im Taubenschlag, und zum Happyend tragen ein gelüftetes Familiengeheimnis, der letztlich doch begrenzte Eifer der Polizei und ein französischer Tennis-Champion bei. Zusammengehalten und in Fahrt gebracht wird alles mit Wortwitz, Situationskomik und ein bisschen englischer Gesellschaftskritik.

Susanne Rechner und Manuela Spieß haben die leichte Komödie flott inszeniert und dem Genre entsprechend den Schwerpunkt auf die Mechanik der Dramaturgie, weniger auf die genaue Zeichnung der Figuren gelegt – was nicht bedeutet, dass die Protagonisten blass erscheinen. Unterstützt durch ein stimmiges Kostüm- und Maskenbild wird jede der sieben Rollen hervorragend ausgeleuchtet.

Als geistreicher Krimineller mit aristokratischer Attitüde und dem wohl größten Anteil an Lachern beeindruckt als Vater Peabody Martin Steinmetz, der sich in der Boulevard-Atmosphäre wie ein Fisch im Wasser zu fühlen scheint. Vornehme Steifheit zu verkörpern, ist der Part eines englischen Butlers, der mit Heinz Krapf glänzend besetzt ist. In wichtig geschwellter Brust reifen seine Fragen an den Hausherrn so lange, bis er sie sich mit möglichst überzogener Artikulation „gestatten“ darf.

Heinz Krapf in der Rolle des Butlers

Souverän und erfahren agiert Robert Kirchner in der Rolle des Inspektors, aus der die Regie mit der Idee, sie dem berühmten Fernsehdetektiv Columbo nachzuempfinden, das Beste herausholt.

Inspektor Columbo, äh, Pidgeon, verkörpert durch Robert Kirchner

Als Lady Warren erfreut Anja Gößling, der man ihr etwas übertriebenes Herumstolzieren übel nehmen könnte, würde sich nicht später herausstellen, dass sie gar nicht so vornehm ist. Kerstin Eisel tut sich als Zicke Helen etwas schwer, hat aber gegen Ende – beschwipst und französisch parlierend – noch einen eindrucksvollen Auftritt.

Kerstin Eisel in der Rolle der Verlobten Helen Chandler

Ständig auf der Bühne präsent zu sein und authentisch einen Neureichen heutiger Zeit zu mimen, ist die schwere Aufgabe von Georg Kirchner. Er meistert sie mit jugendlichem Elan und wohl tönender Stimme sehr gut, hat seine großen Momente allerdings eher im Zusammenspiel mit Heinz Krapf als in den Szenen, wo es zwischen ihm und der Einbrecherin knistern sollte.

Das verliebte Paar Penelope und David

Dass sich eine Liebesgeschichte anbahnt, nimmt man dagegen Kim Karen Gößling als Penny sofort ab. Immer wieder blitzt unter dem Deckmantel der Naivität und Schutzbedürftigkeit durch, dass sie nur eins im Sinn hat: David zu heiraten. Ihre unverkrampfte und leichtfüßige Spielweise ist erfrischend und das hoffentlich auch in der letzten Reihe zu bemerkende feine Mienenspiel, wenn es brenzlig für sie wird, vortrefflich.

Kim Gössling

Insgesamt ergänzen sich alle Darsteller prächtig und machen „Wie das Leben so stiehlt“ zu einem kurzweiligen Theatervergnügen und einer großen Ensembleleistung.