„Dramatische Komödie“

Quelle: Verlag: Die Rheinpfalz – Unterhaardter Rundschau – Nr. 243, Dienstag, 18. Oktober 2016

Anja Gößling und Susanne Rechner von den Burgspielen Altleiningen
glänzen in der Satire „Die Baronin und die Sau“ (Anja Benndorf)

 

Eine dreifache Premiere war am Samstagabend im Theater der Burgspiele Altleiningen zu erleben: die des Stückes „Die Baronin und die Sau“ von Michael Mackenzie, die der ersten Herbstvorstellung in der 36-jährigen Geschichte der Amateurschauspielgruppe und die eines anschließenden Sektempfangs für die Gäste. Vor 250 Besuchern im ausverkauften Saal glänzten Anja Gößling und Susanne Rechner mit ausgezeichneter Leistung auf der Bühne.

„Nach dem bedauerlichen Verlust unseres nunmehr dritten Dienstmädchens in diesem Jahr“, erklärt die Baronin (Gößling), suche sie ein neues. Dabei wolle sie eine besondere soziale Verantwortung übernehmen und zeigen, dass „selbst ein Geschöpf aus der niederen Klasse in ein ordentliches, gesittetes Wesen mit Manieren verwandelt werden kann“ – wobei es ihr weniger um den zu sozialisierenden Menschen geht als darum, von anderer Seite für ihre Tat bewundert zu werden.

In der um 1900 spielenden Groteske startet die Adelige ein Kaspar-Hauser-Experiment: Sie nimmt ein in einem Schweinestall aufgewachsenes Mädchen (Rechner) bei sich auf und versucht es, zu ihrer Zofe zu machen. Das verwilderte Findelkind, das die Baronin nach Jean-Jacques Rousseaus Werk „Emil oder Über die Erziehung“ Emilie tauft, entpuppt sich aber als schwieriger Fall.

Das vor sich hin grunzende, stets an Essen denkende und alles wörtliche nehmende Mädchen bringt die Freifrau immer wieder an den Rand des Nervenzusammenbruchs. Es ergeben sich urkomische Szenen, etwa durch die wiederholten Missverständnisse oder als sich Emilie gegen den Juckreiz ausgiebig am Tischbein reibt. Oder auch, als sie das Besteck untersucht, dabei beschnüffelt und anleckt und dann ein lustiges Spiel entwickelt, bei dem die Löffel nacheinander geräuschvoll auf dem Boden landen.

Das Publikum lacht herzhaft und applaudiert ausgiebig dafür, dass die beiden bühnenerfahrenen Akteurinnen in ihren Rollen voll aufgehen.

Bis ins Detail authentisch mimt Anja Gößling die feine Dame, der zunächst nur Äußerlichkeiten, die Wahrung der Etikette, wichtig sind, im Lauf der Zeit aber zunehmend Einblicke in ihr Innerstes gewährt.

Nicht weniger überzeugend stellt Susanne Rechner die anfangs etwas dümmliche, in Respekt vor der Herrin erstarrende, später langsam aufblühende Jugendliche dar, die schließlich zu einer Freundin ihrer Arbeitgeberin wird.  Dabei führt Emilie der Baronin schonungslos vor Augen, wie sie mit anderen Menschen umgeht. Paradebeispiel dafür ist die Passage, in der die Freifrau ihrer Zofe beibringen will, wie Gäste zu empfangen sind. Sie soll nach einem braven Knicks und der Frage „Wen bitte darf ich melden?“ zur Baronin gehen, die dann von Fall zu Fall entscheiden will, ob sie für den jeweiligen Besucher zu sprechen ist oder nicht. „Heuchlerin!“, wirft das Dienstmädchen ihr daraufhin vor. Emilie eröffnet ihrer Herrin aber auch den Zugang zur Schönheit der Natur.

Andererseits bringt die Baronin der Sau Kulturgut nahe, zeigt ihr Tanzschritte und singt mit ihr „Brüderlein fein“ aus dem romantischen, 1826 uraufgeführten Zaubermärchen „Bauer als Millionär“ von Ferdinand Raimund.

In Szene gesetzt wird die Komödie, die eigentlich ein Drama ist, vor simpler, aber effektvoller Kulisse. Ein schwarzes Podest, auf das von zwei Seiten kurze Treppen hinaufführen, dient ebenso als Fußboden wie als Tisch oder Bett. Die Holz-Stufen sind mitunter auch mal Stühle. An der drehbaren Wand hängt je nach Bedarf nichts oder ein Spiegel mit Hutablage. Letzterer kommt in dem Zwei-Akter besondere Bedeutung zu. Denn liegt dort ein Zylinder, ist dem Publikum klar, dass der – ansonsten unsichtbare – Baron anwesend ist.

Langsam schwant dem Zuschauer, weshalb die Dienstmädchen nie lange bleiben und warum Emilie letztlich zu einer drastischen Maßnahme greift.