„‚Gutmensch‘ bringt Ärger ins Haus“ (Anja Benndorf)

Quelle: Verlag: DIE RHEINPFALZ,
Publikation: Unterhaardter Rundschau, 17. Juni 2013

ALTLEININGEN:
Großartige Premiere von Molières Komödie „Tartuffe“ bei den Burgspielen Altleiningen
– Wieder einen kulturellen Glanzpunkt gesetzt

 

Absolut authentisch stellen die Altleininger Burgspieler die Charaktere in Molières „Tartuffe“ dar, so dass es eine wahre Freude ist, ihnen auf der Bühne in der alten Festung zuzuschauen. Bei der Premiere am Samstagabend sah das Publikum zudem als Einstimmung einen höfischen Tanz in historischen Kleidern.
Martin Steinmetz betont in seiner humorvollen Begrüßung unter anderem, wie wichtig die ideelle Unterstützung der Akteure durch die Anwesenheit bekannter Persönlichkeiten ist.

Anja Gössling (oben) in der Rolle der Zofe Dorine, hier mit Rebecca Kröhler (unten) als Mariane

Nun könnten sie ihnen die Ergebnisse monatelanger Arbeit präsentieren.
Diese sind als äußerst gelungen zu bezeichnen. … Die Zuschauer amüsieren sich prächtig und sparen nicht mit Beifall – am Ende und auch zwischendurch.
Letzteres vor allem für entwaffnend ehrliche, oft ironische Sprüche aus dem losen Mundwerk der Staubwedel schwingenden Zofe Dorine (gespielt von Anja Gößling). Nur selten hält sie sich zurück. Die Zofe ist eine der schärfsten Gegnerinnen des Heuchlers, Schmeichlers und Selbstinszenierers Tartuffe (Oliver Kesberger), der sich als besonders frommer Mann ausgibt, aber ein Betrüger ist.

Orgon (Willy Hiebert, rechts) schwärmt bei seinem Schwager Cléante (Jochen Knauff, links) von Tartuffe

Doch der Hausherr Orgon (Willy Hiebert) ist dem „Gutmenschen“ vollkommen hörig und will ihm sogar seine Tochter Mariane (Rebecca Kröhler) zur Frau geben, obwohl diese bereits mit Valère (Georg Kirchner) verlobt ist.
Selbst der Schwager Cléante (Jochen Knauff) und der Sohn Damis (Oliver Wasmuth) können Orgon nicht von seinem Glauben an den Scheinheiligen abbringen, den er als Gast aufgenommen hat.

Erst als er Zeuge wird, wie Tartuffe sich an Ehefrau Elmire (Donja Reichert) heranmacht, gehen dem Alten die Augen auf, und er will den Kuttenmann hinauswerfen.
Lange Zeit jedoch gibt sich Orgon vollkommen verblendet und sieht es sogar als positiv an, dass der Gast sich für seine Frau interessiert. Fantastisch verkörpert Hiebert den einfältigen Trottel, der immer ein bisschen dämlich dreinschaut, wenn er Tartuffe in den höchsten Tönen lobt. Der angeblich Fromme löse ihn aus jeder irdischen Bindung, so dass ihm das Schicksal seiner Familie und Freunde egal sei, schwärmt er. Mariane gegenüber stellt er klar: „Ich als dein Vater weiß, was gut für dich ist. Ich will, dass du in Tartuffe verliebt bist.“
Die Unglückliche droht sich der Zwangsheirat durch Selbsttötung zu entziehen. „Auf die praktische Lösung bin ich noch gar nicht gekommen!“, ruft die Zofe mit in die Hüften gestemmten Händen. Die Zuschauer lachen los. Dorine rät, alles daran zu setzen, dass die Hochzeit verschoben wird. „Letztendlich hilft ja noch ein deutliches Nein vor dem Altar“, macht sie dem Mädchen klar, dass sie sich wehren muss. Der jähzornige Damis, der – sobald er an Tartuffe denkt – schreiend und mit geballten Fäusten über die Bühne rennt, will seiner Schwester notfalls mit Gewalt helfen.

Der allgegenwärtige Tartuffe bringt die gesamt Famile (Jochen Knauff – Cleante, Bärbel Aue –  Madame Pernelle, Donja Reichert – Elmire, Oliver Wasmuth – Damis, Rebecca Kröhler – Mariane) in Aufruhr

So langsam wird die Spannung unerträglich. Wer ist dieser frömmelnde Betrüger? Man möchte ihn endlich zu Gesicht bekommen, nicht bloß als riesiges Gemälde mit einem Heiligenschein aus LED-Lämpchen – maßgebliches Element der Kulisse. An Requisiten wird gespart. Mal gibt es zwar eine Leiter, auf der die Zofe „in die Luft geht“, mal eine Decke, unter der man sich verstecken kann. In der Regel reichen aber die lebendigen Dialoge der Amateur-Schauspieler, unterstrichen von entsprechender Mimik und Gestik, für die ausgezeichnete Darstellung der Szenen.

Auch die Nebenrollen in dem Stück sind hervorragend besetzt: Alexander Maier als Gerichtsvollzieher Loyal, Bärbel Aue als Madame Pernelle und Franz-Josef Busch als Polizist. Alle gemeinsam haben unter der bewährten Regie von Susanne Rechner und Manuela Spieß die zu ihrer Entstehungszeit revolutionäre Kritik an pseudo-religiösem Wahn und Doppelmoral, wegen der die 1664 uraufgeführte Satire zunächst verboten wurde, sehr gut herausgearbeitet.

Tartuffe (Oliver Kesberger) macht Elmire (Donja Reichert), Avancen

Und schließlich kommt er, der Mann um den sich alles dreht: In einer (unschuldig) weißen Kutte schleppt der Langhaarige einen Riesenberg Bücher herein. „In Ihnen, Madame, offenbart mir der Herr die Vollkommenheit seiner Schöpfung, und dafür muss ich ihn ehren“, haucht Tartuffe der Frau seiner Begierde, Elmire, ins Ohr.

Dafür, dass er sich als Mönch, dem Reichtum nichts bedeutet, Hab und Gut von Orgon schenken lässt, hat er auch eine Erklärung: „Ich nehme das Vermögen nur, um zu verhindern, dass es in unwürdige Hände fällt.“ Der Protagonist fasziniert, zieht in den Bann, nicht nur die Figuren in dem Stück, sondern ebenso das Publikum.

 

Der Applaus will kaum enden. Mit dem dritten Molière-Klassiker in ihrer 33-jährigen Geschichte setzen die Burgspieler wieder einen kulturellen Glanzpunkt im Leiningerland.