„Kein Gedanke an Laientheater“ (Roland Happersberger)

 

Quelle: Verlag: DIE RHEINPFALZ, Publikation: Unterhaardter Rundschau, Dienstag, 21. Februar 2012

 

ALTLEININGEN:
Das Theatercafé der Altleininger Burgspiele bietet Pointen ohne Pause
– Bewundernswertes Spiel

 

„Ach, was hab‘ ich gelacht!” Sätze wie dieser waren nach dem Theatercafé der Alteininger Burgspiele am Samstag – und sicher auch nach der zweiten Vorstellung am Sonntag – mehr als einmal zu hören: Höchst zufrieden war das Publikum mit der von Anja Gößling und Alexander Maier inszenierten literarisch-musikalischen Revue „Ham Se nich ne Frau für mich?” Bewundernswert war nicht nur das Spiel der sieben Akteure, genauso mitreißend, abwechslungsreich und auf den Punkt getroffen war auch die Textzusammenstellung gelungen.
Als ungemein tragfähig erwies sich Anja Gößlings Grundidee: Den Rahmen bilden Dialoge aus einem Speed-Dating-Café. Das, so muss man wissen, ist eine Beziehungsanbahnungseinrichtung, in denen zufällig zusammengebrachte Paare innerhalb einer definierten kurzen Frist herauszufinden haben, ob sie was miteinander anzufangen wissen oder es besser bleiben lassen. Angeregt wurden diese Szenen durch den Film „Shoppen” von Ralf Westhoff.

Martin Steinmetz und Susanne Recher

Die wiedergegebenen Zwiegespräche wirkten weniger durch plakative Komik. Quelle des Vergnügen war eher die Art, wie gewisse Typen sich durch ihre eigenen Worte bloßstellen, pointiert Grundsätzliches zeigen: „Du bist Single, weil du Ansprüche hast.” Hier fanden Anja Gößling und Alexander Maier, Susanne Rechner und Martin Steinmetz, Manuela Spieß und Oliver Kesberger in wechselnder, stets heterosexueller Paarung zu nuancenreichem, verhaltenem Spiel, unterstützt von Gerlinde Rechner als Wirtin des Cafés. Geschickt hob die Lichtregie die jeweils Sprechenden hervor, rückte sie in eigenes Licht, wenn sie sich einzeln oder paarweise von ihren Caféstühlen erhoben, um Gedichte oder Chansons zu bringen.

Alexander Maier mit Anja Gössling

Es ist unmöglich, alles im Einzelnen nachzuzeichnen. Manches ist altbekannt. Wilhelm Busch beginnt: „Die Liebe war nicht geringe” – um das Ehepaar am Ende dumpf beieinandersitzen zu lassen: Er „liest in der Kölnischen Zeitung”. Sie widmet sich mit Stricknadeln „des Strumpfes Bereitung”. Vieles stammt aus der Zwischenkriegszeit, als eine im Krieg leiblich und seelisch malträtierte Jugend der Liebe begegnen sollte, der Zeit von Kästners „Sachlicher Romanze” und der Liebesgedichte Bert Brechts. Auch hier wechselte Schabernack mit tieferer Bedeutung. Ringelnatz, Mühsam sind Autoren dieser Zeit, doch auch Gotthold Ephraim Lessing und Jacob Michael Reinhold Lenz, Robert Gernhardt und Heinz Erhardt wissen über Liebe einiges zu sagen. Streckenweise sind Kurzgedichte verschiedener Autoren so dicht montiert, dass die Pointen einander jagen, dann geben längere Chansons Ruhepunkte: Das Programm ist so abwechlungsreich, dass der Zuschauer immer gespannt bleibt, und die allermeiste Zeit so schön und klug gespielt, dass kein Gedanke an Laientheater aufkommt.

Manuela Spieß und Oliver Kesberger

Beobachten wir die Akteure in jenen Solos, in denen sie vielleicht am stärksten waren: Martin Steinmetz fachte das Vergnügen mit dem Couplet „Ham Se nich ne Braut für mich?” gekonnt an, gab mit Augenzwinkern den Naiven. Ein reines Vergnügen war Oliver Kesberger als unbefangener „schöner Sigismund” aus der Operetten-Revue „Im weißen Rößl”. Geradezu beklemmend rührend sang Manuela Spieß „Wie hab ich nur leben können ohne dich” aus dem Lilian-Harvey-Film „Ich und die Kaiserin”.

Die drei Damen

Susanne Rechner brachte – in jeder Silbe geschliffen – eine absurde Ballade von Kurt Schwitters zum Besten, die mit den schönen Zeilen beginnt „Es war einmal ein Mann, der gung / in eines Flusses Niederung”. Im weiteren Verlauf geht es um die Verführungstricks einer Dame ohne Unterleib, ihres Zeichens Wassernixe. Alexander Maier nahm sich mit Ironie des massenmörderischen Georg-Kreisler-Chansons „Bidla Buh” an und Anja Gößling erzählte in einer keinen Widerspruch und keinen Moment der Unaufmerksamkeit duldenden Vortragsintensität vom begierig-brünstig-suchend durch den Wald streifenden Wildeber, der – darin lag die komische Wirkung des Gedichts von Christian Maintz – die endlich nahende Wildsau mit verlegenen, von Oliver Kesberger gesprochenen, Worten anmacht, die eher zu einem Sozialpädagogikstudenten von 1985 gepasst hätten.
Schließlich gab’s noch, vom ganzen Ensemble strophenweise vorgetragen, Kurt Tucholskys berühmtes Gedicht über das, was sich nach Ende eines Liebesfilms im Leben der Protagonisten wahrscheinlich zutragen würde. Dann sprach Gerlinde Rechner die nicht minder berühmten Schlussworte: „Und darum wird beim happy end im Film jewöhnlich abjeblendt.”

Schlussapplaus