„Helden“ (George Bernard Shaw)

Quelle: Die Rheinpfalz, 17. Juni 2002

Applaus für Blick ins Schlafzimmer der „Helden“ (Waltraud Werdelis)
Glänzende Premiere der Altleininger Burgspiele –
Susanne Rechner inszeniert Shaws „Helden“ – Vorzügliche Besetzung

 

Da stehen sie, die „Helden“ der diesjährigen Burgspiel-Saison, und müssen sich wieder und wieder verneigen. Mit nicht enden wollendem Applaus bedankt sich das Premierenpublikum in der Burg Altleiningen für einen äußerst unterhaltsamen Abend und eine überzeugende

Ensemble-Leistung. Was es zuvor genießen durfte, war eine laut George Bernard Shaw „anti-romantische Komödie“, bei der Regisseurin Susanne Rechner wie versprochen vor allem den gesellschaftskritischen Ansatz des Autors lustvoll umsetzte.

Ort des Geschehens ist das Haus der vornehmen Familie Petkoff. Hier wäscht man sich beinahe täglich, besitzt die einzige Bibliothek in ganz Bulgarien und schikaniert die Dienerschaft. Hausherr und Schwiegersohn in spe sind kriegsbedingt noch aushäusig, als sich Bluntschli, Schweizer und Hauptmann der serbischen Armee, nach seiner Niederlage ins Schlafzimmer der jungen Raina Petkoff flüchtet, wo sich nach witzigen Wortgefechten um Heldentum und Soldatenehre eine Romanze zwischen beiden anbahnt.

Als Petkoff und Rainas Verlobter Sergius heimkehren, wollen Mutter und Tochter die unschickliche Geschichte natürlich geheim halten. Doch Bluntschli kommt noch einmal, um den entliehenen Hausrock zurückzubringen. Und weil sich das schlaue Dienstmädchen Luka, das die Situation genau überblickt, zu Höherem berufen fühlt und es auf Sergius abgesehen hat, nehmen die Geschehnisse und Heiratspläne einen ganz anderen Verlauf, als sich die resolute Mutter Petkoff das wünscht.

Neben der Entmystifizierung des Kriegshandwerks und seiner Akteure treibt Shaw auch seinen Spott mit romantischen, von der Literatur genährten Mädchenträumen. Und so ist es geradezu ein genialer Einfall, dass auf der Burgspiel-Bühne plötzlich ein überdimensionales Buch aufgeschlagen wird und sich das Schlafzimmer Rainas „entfaltet“. Sinnfällig wird hier die bekannte und unbeantwortbare Frage aufgeworfen, ob die Kunst das Leben oder das Leben die Kunst imitiert.

Aber auch Shaws Frage, worin sich Herrschende und Dienende eigentlich unterscheiden, räumt die Regisseurin, die in diesem Jahr von ihrem Ehemann Martin Steinmetz unterstützt wird, breiten Raum ein. Beeindruckend konsequent hat sie dazu die Charaktere im Stück angelegt. Während dem Diener Nikola und ewigen Sündenbock (Peter Steidel) selbst üble Beschimpfungen nicht die Ruhe seiner „Lakaienseele“ rauben können, gebärdet sich Donja Reichert als Luka geradezu revolutionär aufmüpfig und hält die eigentlichen Fäden der Geschichte in der Hand.

Routiniert und selbstsicher spielt Gerlinde Rechner die Herrin des Hauses mit einer ständig um den guten Ruf ihrer Familie besorgten Aufgeregtheit, während ihr Ehemann mit seiner polternden Art ein eher bäuerliches Gemüt offenbart. Willy Hiebert ist in dieser Rolle so gnadenlos authentisch, dass er als Star der Inszenierung bezeichnet werden könnte…

… wäre da nicht eine junge Dame, Carla Swierzy, die als Raina und damit in ihrer zweiten Rolle bei den Burgspielen nachhaltig die Ahnung nährt, dass da ein ganz großes Talent auf der Bühne steht. Bis in den letzten Winkel ihres frischen Gesichtes – was man hoffentlich auch in der letzten Reihe noch sehen kann – verkörpert sie die irritierte Romantikerin, die nach und nach ihre Phantasien durch das wahre Leben ersetzt.

Ihr Gegenpart ist Alexander Maier als Bluntschli, ein mit den Absurditäten des Lebens bestens vertrauter Mann. Was den Zuschauer an seinem konsequent müden Tonfall zuweilen stören mag, passt allerdings bestens zu seiner Rolle als abgeklärter Berufshaudegen.

Und dann ist da noch Burkhard Hildebrandt (Sergius), den man bis zum dritten Akt noch zu unterschätzen geneigt ist. Der dann aber, im Ringen darum, ob er den „Betrug“ standesgemäß rächen oder – ganz unstandesgemäß – lieber seiner Neigung, Luka zu ehelichen, nachgeben soll, zur Höchstform aufläuft.

Bis hin zum engagierten Miniauftritt der Soldaten (Gernot Schubert, Timo Hmielorz, Carsten Gößling), die Bluntschli in Rainas Zimmer suchen, hat Susanne Rechner alle Rollen glänzend besetzt und ausgearbeitet.

Das Publikum dankt, nicht zuletzt für die schönen Kostüme und das originelle Bühnenbild.