„Magnolien im Herbst“ (William Dinner/William Morum)

Quelle: Die Rheinpfalz, 21. Juni 2004

 

Sehenswerte und vorzügliche Theaterarbeit (Waltraud Werdelis)
ALTLEININGEN: Burgschauspieler zeigen „Magnolien im Herbst“

 

Wer wünscht sich das nicht? Im Alter noch fit zu sein – körperlich wie geistig -, ein Ziel vor Augen zu haben und auch die Möglichkeit nicht auszuschließen, dass die (große) Liebe noch auf einen wartet? In diesem Sommer wird allen, denen für solch einen Traum noch das Vorbild fehlt, ein Passendes geboten: Die Burgspiele Altleiningen zeigen „Magnolien im Herbst“, die Geschichte dreier Frauen, die aus dem Altersheim fliehen und zu neuen Ufern aufbrechen.

Doch auch wer sich vom Methusalem-Komplott mittlerweile verfolgt fühlt und der Vermarktung des Alters in Literatur und Film kritisch gegenüber steht, kann sich das neue Stück des Altleininger Amateurtheaters ruhig anschauen. Denn über die trotzige Kampfansage dreier Seniorinnen hinaus ist der Dreiakter von William Dinner und William Morum eine spritzige Kömodie mit einer guten Prise schwarzen Humors. Und wer schon „Arsen und Spitzenhäubchen“ oder Hitchcocks Film „Immer Ärger mit Harry“ gemocht hat, wird hier ebenso auf seine Kosten kommen. Das Premierenpublikum am Samstag jedenfalls goutierte das neue Stück nicht nur mit langem Beifall am Schluss, sondern auch mit ungewohnt häufigem und für den Spielfluss nicht ganz unproblematischen Szenenapplaus. Verdient haben ihn die acht Schauspieler allemal, allen voran die Grandes Dames des Ensembles. Sie meisterten die große Aufgabe mit erstaunlicher Souveränität und zu Herzen gehender Emotionalität.

Doch zunächst einmal zur Geschichte: Freda, Joy und Edi flüchten mehr aus einem spontanen Freiheitsdrang heraus denn einem wohlüberlegten Plan folgend aus ihrem „Wohnstift“, einer Mischung aus Armenhaus und Besserungsanstalt. Sie stranden in der Nähe eines kleinen englischen Dorfes und besetzen ein verlassenes Haus, das ihnen wie geschaffen für einen gemeinsamen Ruhesitz scheint.

Das Glück bleibt ihnen auch dann hold, als der Besitzer auftaucht und die drei Damen hinauswerfen will: Er stirbt bereits nach wenigen Minuten an einem Herzanfall. Carsten Gößling überzeugt in diesem kurzen Auftritt als Paul Vanderbloom nicht nur mit seiner Spielkunst, sondern auch in wundervoller Maske. Freda, Joy und Edi finden heraus, dass es sich bei ihm um einen Ganoven und mutmaßlichen Mörder handelt und haben daher keine Skrupel, ihn in einem alten Brunnen zu entsorgen, um ihr Haus zu behalten.

Doch schon bald gibt es wirkliche Probleme. Der Dorfarzt Dr. Hunter sorgt sich um die Gesundheit der neuen Nachbarinnen und will das Brunnenwasser untersuchen lassen.

Außerdem taucht die Nichte Vanderblooms auf, die sich bei den Frauen einquartiert, um auf ihren Onkel zu warten. Die Leiche muss also wieder aus dem Brunnen herausgeholt und anderweitig entsorgt werden.

Dass es bei dieser Aktion zu komischen Missgeschicken, Hysterieanfällen und unvorhergesehenen Wendungen kommt, wenn ein neugieriger Arzt, eine misstrauische Untermieterin und ein übereifriger Handwerker durch mehrere Türen ständig ein und ausgehen und den Plan durcheinanderbringen, macht den eigentlichen Reiz der Komödie aus.

Und so ist ein flottes Tempo und exaktes Timing bei der Inszenierung dieses Lustspiels das A und O. Beides ist den Regisseuren Carsten Gößling und Susanne Rechner vortrefflich gelungen. Dafür, dass sie die Länge des handlungsreichen und dadurch schwer zu straffenden Stückes gut gemeistert haben, gebührt ihnen ebenso viel Lob wie für die erfolgreiche Arbeit mit den Darstellern.

Was Bärbel Aue als tonangebende Freda, Gerlinde Rechner als gefühlsduselige Joy und Hertha Drescher als die kleinkriminelle und dem Alkohol zusprechende Edi an Text und körperlicher wie mimischer Arbeit auf der Bühne bewältigen müssen, ist enorm. Alle drei holen aus den unterschiedlichen Frauenbildern alles heraus und wirken als Trio dennoch homogen. Zudem überraschen sie als Chansonniers in drei Songs aus der Feder von Gößling/Rechner, die von Manuela Spieß am Klavier hervorragend begleitet werden.

Die übrigen Akteure als bloße Stichwortgeber zu betrachten, wäre maßlos untertrieben. Willy Hiebert in der Rolle des Dr. Hunter ist in gewohnt imposanter Manier ein Segen für die Inzenierung. Ina Gößling als Nichte Miss Jackson beherrscht die ganze Bandbreite von hilflos-verlassen bis biestig-verschlagen, und Alexander Maier gibt den Handwerker Joe Pollop mit angenehm zurückhaltender Ironie.

Selbst die undankbare und kleine Rolle des Dorfpolizisten, der zum Glück der drei Hausbesetzerinnen gar zu vertrottelt ist, wurde mit Markus Jotter gut besetzt. Sorgfältige Requisite und ein aufwändiges Bühnenbild tun ihr nicht zu unterschätzendes Übriges für eine gelungene Inszenierung.

„Magnolien im Herbst“ ist eine sehenswerte Arbeit der Burgspiele, für die man gerne sein Sitzfleisch knappe drei Stunden quält. (ww)