Tiefgründig und trotzdem witzig (Regina Wilhelm)

 

Quelle: DIE RHEINPFALZ Regionalausgabe: Unterhaardter Rundschau, Dienstag, den 20. Juni 2006

 

Burgspiele Altleiningen setzen Theaterstück „Elling“ wunderbar in Szene
Glänzende Darsteller – Viel Applaus bei Premiere

 

Was die Burgspiele Altleiningen in diesem Sommer ihrem Publikum zeigen, ist sicher keine leichte Kost. Doch wer sich auf „Elling“ einlässt, erlebt ein tiefgründiges Stück, das durch Wortwitz und Situationskomik auch unterhaltende Seiten aufweist. Am Samstag feierte das Schauspiel des Norwegers Axel Hellstenius im fast ausverkauftem Theatersaal der Jugendherberge Premiere.

Das Schauspiel, das auf dem Roman Blutsbrüder von Ingvar Ambjörnsen basiert, ist in jeglicher Hinsicht reduziert. Es braucht kein aufwändiges Bühnenbild oder ausgefeilte Dekoration. Auch die Kostüme, die die lediglich vier Akteure tragen, sind fast ausschließlich Alltagskleider.

Carla Swiercy als Krankenschwester Gunn, Martin Steinmetz als Elling und Timo Hmielorz als Kjell Bjarne

Da selbst die Sprache passagenweise limitiert ist, hängt das Gelingen des Stücks ausnahmslos von der Qualität der Schauspieler ab, die die Gedanken und Gefühle, die Ängste und Hoffnungen der Figuren transportieren müssen. Und deshalb zeigt sich bei „Elling“ einmal mehr, dass die Mitglieder der Burgspiele keine blutigen Laien sind. Perfekt in Ausdruck, Körperhaltung, Mimik und Gestik stellen Martin Steinmetz und Timo Hmierlorz die beiden Helden oder vielmehr Antihelden Elling und Kjell Bjarne dar.

Nicht weniger überzeugend wirkt Alexander Maier, der allerdings als „ganz normaler“ Sozialarbeiter kaum die Möglichkeit hat, seiner Figur viel Tiefe zu geben.

Die junge Carla Swierzy kann dagegen vor allem als die schwangere Reidun brillieren. Zu sehen ist sie ferner in kurzen Szenen als die flippige Bedienung Johanne und als Krankenschwester Gunn.
Elling und Kjell Bjarne sind so gegensätzlich wie der putzsüchtige Felix Unger und der chaotische Sportreporter Oscar Madison in „Männerwirtschaft“. Elling verkörpert das intellektuelle, verwöhnte Muttersöhnchen, pedantisch und ordnungsliebend. Kjell Bjarne dagegen hat die Sonderschule besucht, erinnert sich kaum an seine tyrannischen Eltern. Er hält wenig von Reinlichkeit und stört sich nicht am Chaos. Seine Gedanken kreisen nur um ein Ziel: endlich, endlich einmal eine Frau zu haben.

Eines ist den beiden aber gemein: Zusammen sollen sie nach ihrem Aufenthalt in der Psychiatrie den normalen Alltag wagen. Unterstützt werden sie dabei von dem Sozialarbeiter Frank Asli.

Anrührend spielt Hmielorz den naiven Kjell Bjarne mit dem scheinbar kindlichen Gemüt. Er lässt sich gern von Elling an der Hand nehmen und führen. Vor allem gefallen ihm die Geschichten von den Abenteuern – auch mit tollen Frauen – , die Elling angeblich erlebt hat. Aber Elling schneidet lediglich auf, um sich wichtig zu machen und seinen Unsicherheit zu kaschieren.

Denn der „große Held“ hat mindestens so viele Komplexe wie sein Freund. Herrlich komisch: seine Angst, das Telefon zu bedienen. „Weshalb“, fragt er den Betreuer, „soll ich denn mit jemandem sprechen, den ich nicht kenne?“ Seine Furcht vor Menschen, die ihn davon abhält, auszugehen oder Einkäufe zu erledigen, lässt ihn einige witzige Ausreden erfinden.

Beide Figuren machen im Laufe des rund zweistündigen Stücks, das auch einige sozialkritische Züge trägt, eine Entwicklung durch. Wie Kinder lernen sie, mit den Gegebenheiten umzugehen und sich im „ganz normalen Leben“ zurecht zu finden. Zunächst übernehmen sie mit ihren zwei Katzen Verantwortung. Allmählich entdeckt Kjell Bjarne seine handwerklichen Fähigkeiten, die er bei seiner neuen Freundin gut nutzen kann.

Elling dagegen findet heraus, dass er Talent zum Dichten hat. Und während der eine sich schließlich als guter Papa entpuppt, wird Elling am Ende groß herauskommen. Nebenbei kann er noch Frank trösten, der erfährt, dass sich seine Frau in ihre Freundin verliebt hat und durchgebrannt ist.

Um die Handlung voranzutreiben oder Rückblenden zu erläutern, fungiert Elling als Erzähler. Mit Spotlight rückt ihn Regisseurin Susanne Rechner in den Fokus. Das hat einen verfremdenden Effekt, der das Stück bereichert.

Gewöhnungsbedürftig dagegen ist die mitunter äußerst derbe Sprache. Auch wenn mit dem Gebrauch der Fäkalienwörter die soziale Stellung und das Niveau Kjell Bjarnes dokumentiert werden sollen, hätte sich deren Zahl sicher reduzieren lassen, ohne die Glaubwürdigkeit der Figur zu beeinträchtigen. Nicht weniger krass ist die Schilderung eines Lyrikabends, den Elling besucht, nachdem er etwas von seiner Verklemmtheit verloren hat.

Dennoch ist „Elling“ ein außergewöhnliches Stück, von dem Altleininger Amateurtheater wunderbar in Szene gesetzt. Der nicht enden wollende Applaus des Premierenpublikums ist Beweis genug, dass es ankommt.

Schlussbild mit der Regisseurin Susanne Rechner (Mitte)