„Frischling“ glänzt in Hauptrolle

Quelle: Die Rheinpfalz vom 19.6.2017, Anja Benndorf

Altleininger Burgspieler mit ausgezeichneter Premiere von „Momo“
– Elf neue Akteure auf der Bühne

 

Viel Zeit haben die Altleininger Burgspieler in ihr neues Sommerstück investiert, in dem es um den Wert von Zeit geht. Auch ist großer licht- und tontechnischer Aufwand betrieben worden. Herausgekommen ist eine fantastische Interpretation von Michael Endes Roman „Momo“, die am Samstag Premiere hatte und auf die durch einen Eulentanz der örtlichen Grundschule eingestimmt wurde. Mit Bravour hat Jula Donie ihr Bühnen-Debüt hinter sich gebracht – und das gleich in der Hauptrolle.

Die Zwölfjährige – barfuß, in einem Flickenrock und mit lustigen bunten Bändern im Haar – stellt die meist ernst und ein bisschen traurig schauende Protagonistin ausgezeichnet dar. Sie ist eine von elf neuen Mimen, die die Amateurtheatergruppe im November neu verpflichtet hat.

Unter den Frischlingen im Rampenlicht ist auch Klaus Stemler, der pensionierte Lokalchef der RHEINPFALZ Grünstadt, der gleich in mehreren Rollen glänzt: mit Strohhut und Kamera als Tourist, in Uniform als Polizist sowie mit Maske und Zigarre als grauer Herr. In mehrere Charaktere schlüpfen auch etliche andere. Insgesamt verkörpern 24 Akteure 35 Figuren.

Momo lebt ganz allein in der Ruine eines Amphitheaters, wo Gigi Fremdenführer (Jonas Wessel) immer wieder Touristen die Geschichte erklärt. Eines Tages finden er, Beppo Straßenkehrer (Willy Hiebert), Gastwirt Nino (Marvin Schmitt), dessen Frau Liliana (Manuela Spieß), Maurer Nicola (Wilgens Günther) und Friseur Fusi (Martin Steinmetz) das kleine Mädchen, das sich seinen Namen selbst gegeben hat und über eine Gabe verfügt: es kann so gut zuhören, dass jeder ihm seine Geheimnisse anvertraut.

Diese Fähigkeit, die etwa Nino und Nicola zur Schlichtung ihres Streits nutzen, wird Momo gefährlich, als bei ihr Agent BLW 553 C (Oliver Kesberger) ins Plaudern gerät. Er ist einer der ewig Zigarre rauchenden Grauen Herren, die von der Zeit leben, die sie den Menschen stehlen. Dazu überreden sie die Erdbewohner, „Überflüssiges“ wegzulassen und ein Konto bei der Zeitsparkasse anzulegen. Kälte breitet sich aus, Menschlichkeit geht verloren.

Allein Fusi hat nach der Rechnung eines Agenten (Franz-Josef Busch) sämtliche 1.324.512.000 Sekunden, die bis zu seinem 42. Geburtstag vergangen waren, verschwendet. Es stimmt nachdenklich, wie der qualmende Besucher dem Friseur klarmacht, dass er seine kranke Mutter doch in ein Pflegeheim geben soll, anstatt sich täglich um sie zu kümmern, und dass er besser seinen Wellensittich abschafft, der ihn täglich 15 Minuten kostet. Immer schneller, immer effizienter – ein aktueller Trend, der von Autor Michael Ende schon vor knapp 45 Jahren erkannt wurde.

Nachdem Momo sämtliche Freunde abhanden gekommen sind, weil niemand mehr Zeit für sie hat, bekommt sie Besuch von Agent BLW 553 C, der ihr die perfekte Puppe Bibigirl schenkt. Die blonde Riesen-Barbie, die stocksteif dasitzt und ständig fünf Sätze wiederholt, ist sicherlich nicht leicht zu spielen, aber Julia Hiebert bewältigt das meisterhaft. Auch ist es laut Susanne Rechner, die bei dem Stück mit Manuela Spieß Regie führt, eine große Herausforderung, die Puppe zu schminken. Dies ist den Maskenbildnerinnen hervorragend gelungen. Sehr schön sind auch die wechselnden Kulissen in unterschiedlichen Beleuchtungen, perfekt abgestimmt auf die jeweilige Szene.

Grandios ist Kyra Schilling als Schildkröte Kassiopeia, die langsam über die Bühne schleicht und ebenso langsam spricht. Urkomisch ist es, ihr beim Essen zuzuschauen. Genussvoll formt sie jede Kaubewegung.

Das Tier mit dem dicken Panzer führt Momo zu Meister Hora (Jochen Knauff), der schlaflos die Stundenblumen bewacht und den Menschen ihre verlorenen Sekunden zurück geben kann. Hora entlässt das Premierenpublikum im voll besetzten Theater, das stürmisch applaudiert, mit der Weisheit: „Die Zeit ist das Leben, und das Leben wohnt in euren Herzen.“