Ein ungleiches Paar
Altleininger Burgspieler präsentieren Komödie „Zimmer frei“ – Ausgezeichnete Leistungen auf der Bühne
Quelle: Rheinpfalz vom 22.10.2018 – Anja Benndorf

 

Eine Komödie mit Tiefgang bringen die Altleininger Burgspieler in diesem Herbst auf die Bühne. Am Samstag war Premiere von „Zimmer frei“, einem Stück von Markus Köbeli. Die Leistung der Akteure war grandios, vor allem der beiden Protagonisten Willy Hiebert als 80-jähriger Hans Müller und Manuela Spieß als junger Grufti Glotz. Die zwei bilden eine ungewöhnliche Zweck-WG, in der sie die Höhen und Tiefen des irdischen Daseins miteinander teilen.
Zunächst ist – wie auch bei jeder Umbaupause im Lauf des Abends – eine auf den weißen Vorhang projizierte Hausfassade zu sehen und Verkehrslärm zu hören. In dem Mietshaus wohnt Glotz, eine schräge Person, die niemals vor die Tür geht und in einem Sarg meditiert. Spieß ist in der Rolle erst auf den zweiten Blick wiederzuerkennen: Schwarze Haare mit einem viel zu kurzen Pony, schwarzer Lippenstift und eine dicke Brille, die ihre Augen riesig erscheinen lässt, entstellen die Amateurmimin sehr.  Um die Gläser tragen zu können, hat sie als Ausgleich Kontaktlinsen mit minus zwölf Dioptrien eingesetzt, wie sie beim Umtrunk nach der Vorstellung verrät. Mit dem Sekt in der Hand hat sie die Brille weiterhin auf. „Es dauert, bis ich die Kontaktlinsen herausgefummelt habe und anschließend kann ich etwa zehn Minuten lang nichts sehen“, erzählt die Grundschullehrerin, die das Grufti-Mädchen, das sich mit Telefonsex über Wasser hält („ein Oh kostet 1,50, ein Aahhh zwei Euro“), sehr überzeugend verkörpert. In einer Szenekneipe hatte sie einen Zettel mit dem Hinweis „Zimmer frei“ ausgehängt, in der Hoffnung, einen jungen Mitbewohner zu finden. Doch zu ihrer Überraschung steht eines Tages Hans Müller mit Möbeln vor ihrer Tür. „Ich dachte, Sie haben sich verlaufen! Hier gibt es viele senile Opis“, begrüßt sie ihn wenig charmant. Er könne gleich wieder umdrehen. „Ja, wohin soll ich denn?“, fragt der Alte, der nach 45 Jahren aus seiner Dachwohnung geflogen ist und noch keinen Platz im Seniorenheim hat.

Die Hauptrolle hat es in sich. 56 Seiten Text musste der 70-jährige Hiebert dafür auswendig lernen, sich auf dem Boden wälzen, Herzattacken und Rückenprobleme meistern. Fantastisch stellt er die Altersbeschwerden dar, so authentisch, dass der Beobachter in manchen Augenblicken befürchtet, dem Schauspieler geht es gerade tatsächlich schlecht. Aber nicht nur körperliche Einschränkungen, auch Gedächtnisverlust und Einsamkeit plagen ihn. So schwärmt Müller immer wieder von der Normandie, wohin er mit seiner verstorbenen Frau Anna noch gern gereist wäre, und geht mit der Hundeleine in der Hand täglich spazieren, obwohl sein Vierbeiner schon längst tot ist.

Glotz, die dem Mann schließlich gestattet, sein „Heimatmuseum vorübergehend“ auf der einen Seite ihres Reiches aufzubauen und einen virtuellen Eisernen Vorhang durch die Wohnung zieht, gewöhnt sich allmählich an den Senior. Ganz langsam nähern sich die beiden grundverschiedenen Menschen einander an. Glotz öffnet sich, erzählt von ihrer Angst vor dem Leben, in dem sie verzweifelt nach dem Sinn sucht, beginnt das eine oder andere von dem erfahrenen Alten anzunehmen, welcher wiederum von ihr einiges lernt. Doch bei allem ernsten Hintergrund gibt es zahlreiche sehr lustige Passagen – das Publikum, das viel applaudiert, wird durch ein Wechselbad der Gefühle geschickt.

Amüsant sind auch die Szenen mit den beiden Nebendarstellern: Leon Radmacher (16) als flippiger, Joints rauchender Jugendlicher, der sein Waveboard geschickt um die Möbel herum manövriert, und Kyra Schilling als gestrenge Seniorenheim-Mitarbeiterin Gertrud Hämmerle, der die WG ziemlich missfällt.

Opa Müller und Frau Hämmerle besprechen die Formalitäten.

Eva Mittrücker-Suchomelli, die diese Rolle eigentlich innehat, war an der Premiere verhindert. Die Zusammenarbeit mit den Akteuren sei sehr gut gewesen, lobte Schilling, der ihre erste große Inszenierung mit Alexander Maier als Co-Regisseur ausgezeichnet gelungen ist.