Grandioses Comeback
Quelle: Rheinpfalz vom 19.06.2023 – Anja Benndorf
Ein wahrliches Meisterwerk liefern die Altleininger Burgspieler in dieser Saison mit ihrer Inszenierung des schwarzromantischen Wilhelm-Hauff-Märchens „Das kalte Herz“ ab. Nach drei schwierigen Jahren startet das Amateurtheater damit endlich wieder eine große Sommerproduktion. Dabei wird, wie die Premiere am Samstag bewies, eine kleine, zeitlose Geschichte grandios und äußerst ideenreich erzählt. Von Anja Benndorf
Einige Aspekte dieses „Comebacks“: Endlich können die Altleininger Burgspieler wieder ohne Einschränkungen auf der Bühne agieren, endlich haben auch die letzten Kulturfreunde ihre Ängste und Hemmungen überwunden, trauen sich wieder zusammenzusitzen und nahe beieinander einen unterhaltsamen Abend zu genießen. In der Pause werden die rund 250 Gäste mit Erfrischungen aus der Region bewirtet. Da seit 2018 leider keine Kooperation mehr mit der Jugendherberge existiert, ist das ein erheblicher Aufwand für das Amateurtheater. Pro Aufführung werden allein für den Ausschank sechs Helferinnen und Helfer benötigt.
Aber das organisieren die Burgspieler gern – zumal bei vollem Haus. Davon hätten sie bis vor kurzem nicht zu träumen gewagt, wie Vorstandsmitglied Martin Steinmetz bei der Begrüßung andeutet. „Es ist eine Riesenfreude für uns, Sie hier alle zu sehen. Nachdem man sich nach Corona schon fast damit abgefunden hatte, dass 60 Prozent Auslastung das neue Ausverkauft ist.“ Dem Publikum hat das Theater wohl auch gefehlt, der einstige Ehrungssaal der Festungsruine ist bis auf den letzten Platz belegt. Und niemand wird enttäuscht.
Die Darsteller strotzen nur so vor Spielfreude. Der Applaus bei der Premiere des Märchens „Das kalte Herz“ von Wilhelm Hauff will jedenfalls nicht enden. Die Besucher sind vollends begeistert. Sicherlich ist es auch der Pandemie „zu verdanken“, dass die diesjährige Saisoneröffnung besonders gut gelungen ist. Die Mimen sind mit viel Motivation und Lust bei der Sache, wollen beste Qualität abliefern, nichts dem Zufall überlassen. Und sie haben offensichtlich drei Jahre lang kein Ventil für ihre Kreativität gefunden, die sich quasi aufstaute und nun mit voller Macht zeigen will und muss, was in ihr steckt.
Eine tolle Idee sind die Kostüme: Details wie beispielsweise Knöpfe, Revers, Gürtel und Schleifen sind oft aufgemalt worden. Grandios ist auch die Kulisse: ein Schwarzwald und eine Wirtshaus aus Pappe. Aus dem von der Sausenheimer Wellpappenfabrik gespendeten leichten Material wurde ein sehr wirkungsvolles stabiles Bühnenbild konstruiert – was eine enorme Herausforderung war. Am besten sind die Wechsel zwischen den einzelnen Szenen. Zu intensivem Gezwitscher sieht man große Vögel Baumstämme durch die Gegend schleppen.
Einfallsreiche Effekte in nahezu allen Bereichen: Für die musikalische Untermalung in der Kneipe sorgt ein Quartett aus Carina Altheimer, Jürgen Keth, Eva Mittrücker und Kyra Schilling. Letztere hat zwei Songs komponiert, die im Chor der Wirtshausgäste durchaus passabel gesungen werden – das Lied der Flößer und das der Glasbläser, die gut von ihrem Handwerk leben können. Anders als der Köhler Peter Munk (Felix Decker), der deshalb verspottet wird. Das will dieser sich nicht länger gefallen lassen. Er bittet die Waldgeister um Hilfe. Das gute Glasmännlein, das als von Oliver Kesberger geführte, mit Rauch umwehte Marionette erscheint, erfüllt ihm Wünsche. Doch Kohlenpeter kann damit nicht umgehen, verspielt buchstäblich all seine Chancen und sein Geld am Würfel- und Pokertisch mit dem Tanzbodenkönig (Leon Radmacher) und dem reichen Ezechiel (Klaus Stemler). Die Wirtin (Manuela Spieß) wartet schließlich vergeblich auf das Begleichen der Zeche, die Mutter (Ute Schmitt), die zunächst sehr stolz auf ihren Sohn ist, macht sich bald schon große Sorgen um ihn. Hervorragend stellt Decker die charakterliche Verwandlung des Protagonisten ins Negative dar.
Noch schlimmer wird es, als er dem bösen Holländermichel (Willy Hiebert) sein Herz verkauft und sich dafür eines aus Stein einsetzen lässt. Beeindruckend: Der Geist kann sein Gesicht vorausschicken. Dazu wurde ein Foto von Hiebert verfremdet, vergrößert und auf Leinen aufgedruckt. Für die dreidimensionale Wirkung sind einige Partien, etwa die Nase, abgenäht worden. Zwei Mitwirkende lassen den riesigen Kopf durch den Raum schweben, wobei sie eine Falte im Stoff als Mund bewegen.
Die ganze Aufführung lebt vom phantastischen Einsatz der rund 25 Akteure im Rampenlicht, die die Spielfläche auch auf den Zuschauerraum und den Hof ausweiten, was dem ganzen Geschehen mehr Tiefe verleiht. Und sie lebt von unzähligen Licht- und Soundeffekten, die vom Regie-Team unter Leitung von Susanne Rechner einfallsreich entwickelt wurden und nun von Technikern hinter den
Kulissen passgenau eingespielt werden.